Anthem Test Review

Anthem stellt den “looter-shooter” Titel von BioWare und EA dar. Hoch fliegen und tief fallen können oft nah beieinander liegen und Anthem verkörpert die Redensart “Jede Medaille hat zwei Seiten”.

Bastion dient als Welt des Spiels und macht optisch einen sehr guten Eindruck. Die Vertikalität lässt sich durch die Javelins, die Mech-Suits die jeder Pilot steuern kann, ausnutzen und laden zur Erkundung ein. Bastion erinnerte mich stark an Pandora aus dem Film Avatar. Eine mysteriöse und gleichzeitig schöne Sci-Fi Welt die von der wilden Natur, gefährlichen Lebewesen und Gegnerfraktionen ihr Leben eingehaucht bekommt. Ebenfalls sehen wir in Bastion die großen Werkzeuge der “Shaper”, welche als Götter die Kraft der “anthem of creation” sich zum Aufbau von Bastion zu Nutzen gemacht haben, zurückgelassen.

Wir starten das Spiel und unsere aller erste Mission als Rookie Freelancer, menschliche Helden die ihre Javelins als Hilfsmittel nehmen, beginnt. Diese erste Missionen misslingt leider und wir werden mit einem kleinen Zeitsprung zurückgelassen. Während dem Zeitsprung hat unserer Charakter allerdings weitere Missionen absolviert und wir befinden uns anschließend in Fort Tarsis, dem Single Player Hub des Spiels in dem wir ebenfalls weitere Informationen zur Handlung erhalten und Beziehungen zu den Charakteren schaffen sollen. Das Problem hierbei ist allerdings, dass jeder Charakter mit einem redet als ob man bereits Ahnung von der Welt hätte. NPCs verwerfen mit einem Jargon herum der anfänglich keinerlei Sinn für den Spieler ergibt und viele Einzelheiten kommen nur in Codex Einträgen heraus. Der Spieler fühlt sich dadurch anfänglich sehr fehl am Platz, obwohl er eigentlich laut den Vorkommnissen Ahnung haben sollte.

 

Die Story ist die übliche Geschichte eines Bösewichten: er möchte sich der Macht der “Anthem of creation” berauben um die Welt neu zu gestalten und sich selbst zu einem Gott hervorzuheben. Nichts was nicht bereits fast jeder Gamer auf der Welt kennt. Die Präsentation der Story wird auf drei Arten übermittelt. Entweder durch NPCs in Fort Tarsis, Radiokommunikation mit NPCs während Missionen oder Cutscenes. Um seine Main Story Line, hier heißt es “critical path”, weiter voranzutreiben muss der Spieler jedes Mal nach Fort Tarsis zurück. Es gibt zwar einen “social space” mit dem Namen Launch Bay aber dort können nur “contracts”, also Nebenmissionen, abgeholt werden und somit bleibt dem Spieler nichts anderes übrig als nach Absolvierung einer Hauptmissionen in seinen Single Player Bereich Fort Tarsis zurückzukehren. Diese Struktur funktioniert vielleicht auf dem Papier aber absolut nicht in der Praxis. Anthem sagt im Vorhinein, dass das Spiel am besten zusammen mit Co-Op Partner gespielt werden sollte, aber durch Fort Tarsis gerät das Pacing der Story und des Zusammenspiels mit seinen Co-Op Partner, wie ebenfalls der Gameplay-Fluss, völlig ins taumeln. Ein Flow kann leider nicht aufgebaut werden. Wenn man der Story wirklich folgen möchte, sollte man es alleine spielen, denn wer hat schon Lust seinen Mitspielern alle paar Minuten mitzuteilen, dass sie bitte leise sein sollen. Den Storyverlauf mit Co-Op Partner zu folgen fühlt sich so an als ob man einen Film auf dem Handy ohne Kopfhörer auf einer WG-Party folgen wollen möchte.

Außerdem kommt es dadurch natürlich auch sehr oft vor, dass man auf seine Teammates warten muss oder sich unter Druck gesetzte fühlt. Je nachdem welcher Spielertyp ihr seid. Denn sein Loadout neu anpassen oder mit seinen jeweiligen NPCs zu sprechen kann zeitintensiv sein. Nach einer Mission die circa 15 Minuten gedauert hat, haben wir beispielsweise einmal 35 Minuten in Fort Tarsis verbraucht, bis wir endlich die nächste Mission starten konnten. Wie bereits angesprochen, ein Flow kann Anthem leider nicht aufbauen und aufrechterhalten. Und das schlechte Pacing ist nicht nur schade aufgrund des nicht aufkommenden Flows, sondern auch, weil viele Charaktere in Fort Tarsis wirklich sympathisch sind und eine interessante Story besitzen. Hier kommt es so vor, dass das Spiel eine Art Identitätskrise aufzeigt. Was will es nun sein? Mehr ein Looter-Shooter oder ein Spiel mit einer aufregenden Singleplayer Campaign mit interessanten NPCs? Anthem will leider zu oft auf mehreren Hochzeiten gleichzeitig tanzen und schafft dies nicht umzusetzen. Vor allem wenn einem klar wird, dass die getroffenen Konversationsentscheidungen eigentlich keinen Einfluss auf die Story haben, sinkt das Interesse an dem “supporting cast” gewaltig. Das Ergebnis wird dasselbe sein, egal welche Entscheidungen in den Konversationen getroffen werden. Die NPCs hingegen sehen wesentlich besser aus als in anderen BioWare Titeln und übermitteln somit eine weitaus höhere Immersion als in Mass Effect Andromeda zum Beispiel.

Die Gameplay Mechanics hinter Anthem fühlen sich berauschend und erhebend, im wahrsten Sinne des Wortes, an, nur um später abermals weitere Unstimmigkeiten aufzuzeigen. Die vier Javelins (Colossus, Ranger, Interceptor, Storm) fühlen sich auf aufgrund der verschiedenen Abilities und tollen Animationen alle speziell an und können verschiedene Rollen einnehmen. Schön ist hierbei, dass unser Freelancer levelt und man somit gleichzeitig alle Javelins besitzen und in Fort Tarsis auswechseln kann. Je nach Spielstil kann man auch pro Javelin verschieden Loadouts speichern. Das Fliegen im Spiel ist mit Abstand das beste Feature und die beste Gameplay Mechanic die der Titel vorweisen kann.Es gab keinerlei Probleme seinen Javelin punktgenau zu steuern. Der eigene Mech-Suit reagiert genau auf die Eingabebefehle und bereits nach wenigen Minuten fühlt man sich wie Iron Man höchstpersönlich. Der Start eines jeden Flugs mit dem wirklich zufriedenstellenden Sound wird selbst nach vielen Spielstunden nicht langweilig. Man kann in der Höhe schweben und mit dem Flug durch Wasserfälle, Wasseroberflächen und Sturzflüge seine Zeit in der Luft verlängern, da hierdurch die Jets im Javelin abgekühlt werden. Wirklich ein einzigartiges Gefühl!

Die Waffen fühlen sich ebenfalls besser an als bei anderen BioWare Titeln aber kommen leider noch nicht ganz an die Qualität anderer Looter-Shooter ran. Insgesamt stehen die Waffen jedoch sowieso im Hintergrund der jeweiligen Abilities. Die Abilities sind eindeutig das Highlight im Kampf und lassen mehrere Möglichkeiten zu. Hier allerdings kommt es aber leider wieder zu einem Problem, da Anthem es verpasst eines der wichtigen Features des Kampfes zu erklären: das Combo System. Abilities können entweder keinen Effekt, einen “primer effect” oder ein “detonator effect” besitzen. Ein “primer effect” bereitet eine Combo vor und muss durch eine “detonator ability” entfacht werden. Nirgendwo wird dies vom Spiel erklärt und es scheint so, als ob das Spiel voraussetzt, dass alle Spieler bereits über diese Möglichkeit Bescheid wissen. Das frustrierendste im Kampf ist jedoch der eingesteckte Damage. Es gibt nur extrem wenige sogenannte “tells” von Gegnern, sodass den Attacken erfolgreich ausgewichen werden könnte. Ich habe noch nie so viel in einem Spiel den Satz fallen lassen: “Woher wurde ich gehittet?” Es ist wirklich nicht zu glauben wie oft man down geht ohne einen blassen Schimmer davon zu haben woher man den Damage kassiert hat. Ebenfalls ist die eigene Hitbox mehr als gewöhnungsbedürftig und gibt ihren eigen Senf hinzu zur Frustration hinzu. Des Öfteren denkt man, dass man Attacken eigentlich ausgewichen sei, um nur eine Sekunde später auf einmal plötzlich doch den Damage kassiert zu haben. Die Damge-Erkennung bei seinem eigenen Javelin ist sehr unpräzise und schwammig. Ebenfalls scheint es so als ob BioWare die Entwicklungszeit in einem Bunker verbracht hätte, da bereits begangene Fehler von anderen Entwicklern wiederholt wurden. Warum ist es nicht möglich auf der Map Wegpunkte zu setzen? Oder warum werden World Events nicht auf der Map angezeigt? Ebenfalls ist es nicht möglich, dass ich während einer Mission mein Loadout ändern kann. Hierfür muss man erst nach Fort Tarsis oder in die Launch Bay zurück, um in seine “Forge” zu kommen und um dort dann sein Loadout wechseln zu können. Das experimentieren mit den Abilities und neuen Waffen fühlt sich somit eher wie ein Risiko als eine Belohnung an. Wer möchte denn schon eine neue Ability ausprobieren um erst in der Mission zu erfahren, dass sie nutzlos ist und man mit ihr für diese Mission feststeckt?

Die normalen Missionen, egal ob im Critical Path oder bei Side-Missions, sind so gestaltet, dass jeder der ein Looter-Shooter bereits gespielt hat Bescheid weiß. Das Missionsdesign ist generisch und monoton. Dies ist nicht unbedingt zu negativ zu sehen aber eine große Abwechslung solltet ihr nicht erwarten. Gehe dorthin um ein Objective zu beschützen oder bringe verschiedene Teile zurück zum Objective um die Mission weiter voranzutreiben. Also quasi das “Standardprozedere” in einem Looter-Shooter. Hierbei sind jedoch vor allem die Strongholds hervorzuheben. Diese großen Dungeons bringen Abwechslung ins Missionsdesign und bringen somit auch den meisten Spaß. Zum Zeitpunkt des Launch stehen jedoch leider nur drei Strongholds zur Verfügung.

Die Loot-Präsentation hat ihren Vor- wie auch Nachteil. Während einer Mission sieht man nicht welchen Loot man ergattert hat. Man sieht nur die Rarität, mehr nicht. Was man genau gefunden hat wird einem erst im Endscreen der Mission angezeigt. Wie bereits erwähnt kann dies in einem positiven Licht oder negativen Licht gesehen werden. Der Wow-Effekt und die Freude während einer Mission fällt somit leider weg. Allerdings fällt auch weg, dass jeder sein Loot erstmal anschaut und sich nicht mehr um das eigentliche Geschehen kümmert. Dies ist vor allem ein Segen wenn man im Matchmaking seine Missionen absolviert. Der Gedanke hinter diesem Design ist sicherlich verständlich, ob es allerdings allen Spielern gefällt wage ich zu bezweifeln. Das Endgame, hier wird es das Elder Game genannt, besteht bisher darin verschiedene Missionen und Strongholds auf höheren Schwierigkeitsgraden zu bezwingen, um somit besseres Gear zu erhalten. Natürlich findet man das beste Gear im Endgame, allerdings ist es schade, dass der Grind zum Endgame Grind so lange ist, dass vielleicht viele bereits nach der Hauptkamagne abspringen werden bevor sie überhaupt das die besten Waffen kommen werden. Bevor man zum Endgame Gear gerät, gibt es nur sehr kleinen Unterschiede im gewonnen Gear und sein Spielstil muss nicht unbedingt angepasst werden. Spieler die an "min-making" interessiert sind und ihren eigenen Build aufbauen wollen haben erst ab dem Endgame Content ihre Chance dazu.

Neben zahlreichen Ladebildschirmen liegen weiterhin zahlreiche Bugs vor. Der gelegentlich Kick vom Server ist hierbei das kleinste Problem (es geschah wirklich nur vier Mal während meiner bisherigen Zeit). Leider kam es auch zu Gamecrashes, meine PS4 Pro hat es hierbei zwei Mal so stark eingefroren, dass ich das Stromkabel ziehen musste. Ebenfalls war bei mir die Matthias Quest verbuggt, welche leider auch zum Critical Path gehört. Auf der PS4 Pro kam es nur sehr selten zu FPS Drops, allerdings habe ich bereits von vielen aus meiner Freundesliste mit einer normalen PS4 gehört, dass die FPS Drops zahlreich auftreten können. Vor allem wenn ein Effektfeuerwerk auf dem Bildschirm präsentiert werden soll.

Alle Ideen und Mechaniken von Anthem haben einen guten Ansatz, nur stürzen sie leider im nächsten Moment in den freien Fall. Anthem gelingt es besser ein Co-Op Looter Shooter zu sein als eine Story zu erzählen. Die aufregenden Flug-Mechaniken und Abilities lassen den Puls höher schlagen, nur um doch im nächsten Moment deren Flügel durch verschiedene Schwächen gestutzt zu bekommen.

FAZIT 7.0 aus 10

Die Highlights in Anthem werden leider durch Frustration eingerahmt. Es ist ein Ort an dem vielversprechende Ideen annulliert werden bevor sie sich komplett entfalten können. Es ist durchaus möglich mit Anthem seinen Spaß zu haben, nur müssen die Erwartungen an den Titel realistisch ausgerichtet werden. Im derzeitigen Zustand bleibt weiterhin viel Spielraum nach oben und es bleibt zu hoffen, dass BioWare Anthem über die kommende Zeit hinweg verbessert und es zu einem lohnenden Zeitinvestment heranwachsen lässt.